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Zum Thema Familienrecht
- Antrag auf gerichtliche Regelung: Vorige Einschaltung des Jugendamts ist bei Umgangsverfahren nicht zwingend nötig
- Betreuungsrecht: Die persönliche Anhörung des Betroffenen bleibt auch in Coronazeiten unablässlich
- Gewaltschutz nach Umzug: Ein gerichtliches Abstandsgebot gilt nach Wohnortwechsel nicht einfach weiter
- Gleichgeschlechtliche Eltern: Bei ausgebliebener Adoption zählt beim Umgangsrecht die kindliche Bindung an den sozialen Elternteil
- Mindestunterhalt bei Gesundheitseinschränkungen: Fiktive Einkünfte dürfen nicht ohne hinreichende gerichtliche Feststellungen angerechnet werden
Finden Eltern nach Trennung keine einvernehmliche Lösung über die Frage, wann wer mit den Kindern Umgang hat, können sie sich zum einen an das Jugendamt wenden, um eine Verständigung herbeizuführen. Zum anderen steht ihnen der Weg der gerichtlichen Klärung offen. Ob bei diesen beiden Optionen eine rechtlich zwingende Reihenfolge einzuhalten ist, klärte das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) im folgenden Fall.
Hier lebten die Kinder bei der Mutter, und der Vater begehrte einen entsprechenden Umgang. Da er sich von einem Vermittlungsversuch über das Jugendamt nichts versprach, beantragte er gleich eine gerichtliche Umgangsregelung. Diesen Antrag sah die Mutter als unzulässig an - ihrer Ansicht nach fehle es an einem entsprechenden Rechtsschutzbedürfnis. Und so meinte sie, dass sich der Mann zuerst an das Jugendamt hätte wenden müssen. Das Scheitern einer solchen Vermittlung sei schließlich Voraussetzung, das Gericht anzurufen. Das zuständige Amtsgericht (AG) gab der Frau in erster Instanz Recht. Doch dann wendete das OLG als zweite Instanz das Blatt.
Das OLG entschied, das nicht erst der Weg zum Jugendamt beschritten werden müsse, bevor ein gerichtliches Verfahren zur Regelung des Umgangs eingeleitet werden kann. Das Gericht hob deshalb die Entscheidung der Erstinstanz auf und verwies die Sache zurück, damit sich das AG nun mit der Sache befasst.
Hinweis: Meist ist es ratsam, bei Spannungen zunächst mit dem Jugendamt Kontakt aufzunehmen. Das ist zwar rechtlich nicht zwingend - es lässt sich so aber zügig herausfinden, wie gut die Chancen auf eine einverständliche Regelung stehen. Gerichtliche Verfahren belasten die Beteiligten meist mehr und können zudem länger dauern, obwohl es bei Umgangsfragen wichtig ist, eine zügige Regelung zu finden. Das gilt auch dann, wenn statt eines Hauptsacheverfahrens ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingeleitet wird.
Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.11.2020 - 2 UF 139/20
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Bevor jemand unter Betreuung gestellt wird oder eine sonstige maßgebliche Entscheidung über seine Betreuung gerichtlich erfolgt, hat eine persönliche Anhörung des Betroffenen zu erfolgen. Insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH) wird immer wieder mit derart gestalteten Fragen konfrontiert und nimmt es mit dieser Anhörungspflicht daher auch sehr genau. Dass dessen Entscheidungen auch immer wieder praktische Folgen nach sich ziehen, zeigt der folgende Fall.
Generell gilt zunächst, dass für den Fall, dass ein Volljähriger wegen psychischer Erkrankung oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann, ihm ein Betreuer durch das Gericht bestellt wird. Dieser Betreuer handelt dann innerhalb eines vorher festgesetzten Aufgabenkreises für den Betreuten. Damit man nicht einfach so unter Betreuung gesetzt werden kann, hat zuvor eine ausführliche Prüfung über die Notwendigkeit zu erfolgen. Dazu gehört vor allem auch, dass das Gericht den Betroffenen jeweils unmittelbar und persönlich anzuhören hat.
Wie ist es um dieses Erfordernis in Coronazeiten bestellt ist, hat der BGH klar entschieden: Die Anhörungspflicht gilt unverändert - ganz so, als gäbe es die Pandemie nicht. Zwar müssen der Schutz und die Sicherheit des Gerichts bei der persönlichen Anhörung vor Ort gewährleistet sein. Dies sei aber der Fall, wenn die vom Robert-Koch-Institut empfohlenen Hygienemaßnahmen ergriffen werden, so dass die entsprechenden Standards gewährleistet sind. Das Gericht darf also nicht davon absehen, den Betroffenen persönlich anzuhören, bevor in die Rechte des Betroffenen (weiter) eingegriffen wird.
Hinweis: In Alten- und Pflegeheimen haben sich Besucher vor dem Betreten einem Coronaschnelltest zu unterziehen. Sie müssen auch ansonsten gewissen Besonderheiten genügen. Das gilt also auch für die Richterinnen und Richter, wenn sie eine Anhörung vorzunehmen haben. Sich den Maßnahmen zu entziehen, indem auf die Anhörung verzichtet wird, ist nicht opportun! Das verbleibende Restrisiko bewertet das Gericht geringer als die Notwendigkeit, sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen.
Quelle: BGH, Beschl. v. 04.11.2020 - XII ZB 220/20
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Wird die ehemalige Partnerin/der ehemalige Partner nicht in Ruhe gelassen, sondern dauernd eine Kontaktaufnahme angestrebt - Stichwort "Stalking" -, kann es angemessen und erforderlich werden, Rechtsschutz nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) in Anspruch zu nehmen. Im Kern wird dann das Verbot ausgesprochen, sich der Wohnung der bedrängten Person nicht mehr als in einer gewissen Distanz zu nähern und Kontakt aufzunehmen. Was aber passiert, wenn sich die Umstände beispielsweise durch einen Umzug ändern, musste im Folgenden das Berliner Kammergericht (KG) klären.
Einem Mann wurde gerichtlich unter anderem verboten, sich mehr als 500 Meter der Wohnung der Frau zu nähern. Dann zog die Frau um, und es kam, wie es kommen musste: Der Mann näherte sich der Frau nun bei ihrer neuen Wohnung. Die Frau verlangte nun die Verhängung eines Ordnungsgeldes, denn sie sah in dem Verhalten des Mannes einen eindeutigen Verstoß gegen den gerichtlichen Beschluss, der gegen ihn in Sachen Abstandsgebot verhängt worden war. Doch galt der Beschluss in sinngemäßer Anwendung auch für die neue Wohnung?
Leider nein, so das KG. Es ist stets auf den genauen Inhalt der gerichtlichen Entscheidung zu achten - und in diesem Fall stand dort nichts von der neuen Wohnung. Deshalb konnte der Beschluss nicht gedanklich umgeschrieben werden. Ein Antrag der Frau auf Verhängung eines Ordnungsgeldes wurde deshalb abgewiesen.
Hinweis: Verfahren nach dem GewSchG nehmen in der Pandemie leider zu. Viele Paare und Familien sind den mitunter sehr diffizilen Herausforderungen dieser besonderen Zeit nicht gewachsen. Dennoch kann nicht undifferenziert Hilfe bei den Gerichten angefordert werden - ein präziser Vortrag ist stets vonnöten und Besonderheiten sind zu beachten.
Quelle: KG, Beschl. v. 22.09.2020 - 16 WF 1113/20
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Zwar ist die gleichgeschlechtliche Ehe gesetzlich mittlerweile der nicht gleichgeschlechtlichen Ehe weitestgehend gleichgestellt - im Kindschaftsrecht ist das aber nicht so. Dementsprechende Probleme kann es geben, wenn es zur Trennung kommt. Daher war das Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) mit der folgenden Frage befasst.
Zwei miteinander verheiratete Frauen beschlossen, dass eine der beiden mittels Fremdinsemination Kinder bekommen solle, und setzten den Plan erfolgreich um. Als es später zur Trennung kam, blieben die Kinder bei ihrer biologischen Mutter. Als ihre Exfrau erwartungsgemäß den Kindesumgang verlangte, verweigerte ihr die ehemalige Partnerin diesen Wunsch, so dass der Fall vor dem OLG landete.
Kinder, die während des Bestehens einer nicht gleichgeschlechtlichen Ehe geboren werden, gelten nach dem Gesetz automatisch als Kinder der Ehegatten. Im Fall einer Trennung besteht ebenfalls automatisch ein Umgangsrecht des Elternteils, bei dem die Kinder nicht leben. Bei gleichgeschlechtlichen Ehen ist das nicht der Fall. Die Kinder haben zwar die Gebärende als Mutter, der andere Teil gilt aber nur und erst dann als weiterer - sogenannter "sozialer" - Elternteil, wenn eine Adoption erfolgt. Und an dieser fehlte es hier. In solchen Fällen ist stets zu prüfen, ob dieser soziale Elternteil als enge Bezugsperson der Kinder anzusehen ist und der Umgang ausdrücklich dem Kindeswohl dient. Das OLG hat dies hier auch geprüft und schließlich bejahend festgestellt. Daher hat es den begehrten Umgang gewährt und entsprechend angeordnet, obwohl der andere (rechtliche) Elternteil dies nicht wollte.
Hinweis: Über die Besonderheiten bei einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft liegen häufig zu wenig Kenntnisse vor. Generell sind die Regeln einer gleichgeschlechtlichen und einer nicht gleichgeschlechtlichen Ehe im Wesentlichen identisch - scheinbar auch in der Annahme, "es werde schon nicht zur Trennung kommen". Doch wie man sieht: Es ist eindeutig sinnvoll, sich "in guten Zeiten" zu informieren, um bei Eintritt der unerwarteten schlechten Zeiten ausreichend Vorsorge getroffen zu haben.
Quelle: OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.11.2020 - 2 UF 185/19
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Hat ein Unterhaltspflichtiger nur geringe Einkünfte, ist er damit nicht automatisch von der Verpflichtung befreit, Unterhalt zu zahlen. Gegebenenfalls ist mit erzielbaren und also fiktiven Einkünften zu rechnen. Was dabei zu beachten ist, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dargelegt.
Die betreffenden Kinder lebten beim Vater. Die Mutter - Floristin, psychisch vorbelastet und in Teilzeit arbeitend - sollte folglich Unterhalt zahlen. Ärztlich angeraten wurden ihr nur bis zu 16 Arbeitsstunden wöchentlich, tatsächlich arbeitet sie jedoch 20 Stunden. Dennoch reichte dies für den Kindesunterhalt nicht aus. Nur wenn sie in Vollzeit einer Tätigkeit nachgehen würde, stünden ihr ausreichend Mittel zur Verfügung, den Mindestunterhalt für die Kinder zu zahlen. Das Oberlandesgericht Naumburg (OLG) hatte sie deshalb in zweiter Instanz auf der Basis fiktiver Einkünfte zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Das BVerfG hob die Entscheidung jedoch auf.
Zunächst ist es am Unterhaltspflichtigen, darzutun und zu beweisen, warum es ihm nicht möglich sei, den geforderten Mindestunterhalt zu leisten. Die Anforderungen sind hoch, denn es gilt der generelle Grundsatz, dass selbst jemand ohne Ausbildung und in selbst schwierigen Arbeitsmarktphasen den Mindestunterhalt zahlen könne. Gegebenenfalls müsse dafür auch ein Nebenjob angenommen werden - bis zu 48 Stunden Arbeit pro Woche seien zumutbar. Streng zu prüfen sei also jede Behauptung, es könne sogar der Mindestunterhalt nicht gezahlt werden. Zweifel und Unklarheiten gehen zwar erst einmal zu Lasten des Unterhaltspflichtigen - doch in dem hier behandelten Fall hätte zunächst näher der Frage nachgegangen werden müssen, inwieweit die Mutter gesundheitsbedingt außerstande war, mehr zu arbeiten. Und genau dabei hatte es sich das OLG etwas zu einfach gemacht: Wenn sie nach ärztlicher Vorgabe nur 16 Stunden arbeiten könne, tatsächlich aber 20 Stunden arbeite, dann seien ihr auch 40 Stunden möglich. So einfach ist es in den Augen des BVerfG dann doch nicht: Es verwies den Fall wegen eines Verfassungsverstoßes zurück an das OLG und fordert es nach eingehender Prüfung der individuellen Gesamtumstände zur erneuten Entscheidung auf.
Hinweis: Die Unterhaltsverpflichtung spielt auch im Fall von Arbeitslosigkeit eine Rolle. Wer arbeitslos ist, kann sich nicht darauf beschränken, sich arbeitslos zu melden. Er muss auch selber initiativ werden und von sich aus auf Stellenanzeigen reagieren, damit er seine Unterhaltspflichten erfüllen kann.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 09.11.2020 - 1 BvR 697/20
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Zum Thema Mietrecht
- Baumpflege im Mietverhältnis: Fällen und Entsorgen eines kranken, morschen oder abgestorbenen Baums kann umlagefähig sein
- Nach Umbau am Gewerbeobjekt: Unterschreiten der Mietfläche um 10 % berechtigt nicht automatisch zur Mietminderung
- Nutzungsentschädigung: Zieht der Untermieter erst nach Räumungsurteil aus, schuldet er die gesamte rückständige Miete
- Vorgetäuschter Eigenbedarf: Maklerkosten des zu Unrecht gekündigten Mieters gehören nicht zu schadensersatzpflichtigem Aufwand
- Wohnungseigentümergemeinschaft irrt: Die Nichtvorlage des Mietvertrags ist kein wichtiger Grund, eine Vermietungszustimmung zu verweigern
Mieter und Vermieter können sich in einem Mietverhältnis über vieles streiten. Immer wieder geht es dabei auch um die Frage, welche Arbeiten genau zur Gartenpflege gehören. Nun hat das Landgericht München I (LG) hierzu eine wichtige Frage geklärt.
In einer Nebenkostenabrechnung hatte ein Vermieter Kosten für das Fällen zweier abgestorbener Ebereschen, das Fällen einer absterbenden Kirsche und eines Goldregens, die Totholzentfernung an einer Birke und einer Esche sowie das Laden, Abfahren und Entsorgen des Schnittguts berechnet. Als die Mieter diese Kosten nicht übernehmen wollten, wurden sie vom Vermieter verklagt. Der meinte nämlich, dass die Kosten der Gartenpflege im Mietvertrag ordnungsgemäß auf die Mieter umgelegt worden waren und diese deshalb zahlen müssten.
Das sahen die Richter des LG genauso. Zur "Gartenpflege" gehört im Sinne der Betriebskostenverordnung auch das Fällen eines kranken, morschen oder abgestorbenen Baums. Die hierfür erforderlichen Kosten sind daher im Mietverhältnis als Betriebskosten umlagefähig. Dies gilt sogar unabhängig davon, ob eine Ersatzbepflanzung erfolgte oder nicht.
Hinweis: Eine Verpflichtung zur Übernahme von Gartenarbeiten muss sich aus dem Mietvertrag ergeben. Werden die Gartenarbeiten im Mietvertrag nicht auf den Mieter übertragen, hat der Vermieter sie auch auf eigene Kosten durchzuführen.
Quelle: LG München I, Urt. v. 19.11.2020 - 31 S 3302/20
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Bei Mietobjekten ist die anzumietende Fläche natürlich ein ausschlaggebener Faktor. Und eben deshalb ist immer wieder die Größe Gegenstand von Streitigkeiten, die schließlich vor Gericht landen - hier bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).
Eine Gewerbemieterin wollte ihrem Vermieter gegenüber eine Mietminderung um 10 % durchsetzen. Sie hatte Räumlichkeiten zum Betrieb einer Ballettschule angemietet. Die Miete sollte für das Mietobjekt, das im Mietvertrag gekennzeichnet war und dessen Fläche insgesamt rund 300 m² betrug, 4.100 EUR betragen. Dann teilte ihr die Vermieterin allerdings mit, dass nach durchgeführten Umbauarbeiten die Skizze falsch sei und die Fläche um insgesamt 10 m2 geringer ausfiel.
Der BGH entschied jedoch, dass die Mieterin dennoch nicht zur begehrten Mietminderung berechtigt war. Zwar lag hier grundsätzlich ein Sachmangel durch die Flächendifferenz vor. Weist bei der Miete von Geschäftsräumen die Mietfläche allerdings eine Größe auf, die um weniger als 10 % unter der im Mietvertrag vereinbarten Fläche zurückbleibt, ist eine Mietminderung zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Mieter hat in diesem Fall jedoch konkret darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass durch die Flächenabweichung der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt sei.
Hinweis: Vermieter und Mieter sollten vor dem Abschluss des Mietvertrags genau die Wohnung ausmessen. So bleibt Streit im Nachhinein erspart.
Quelle: BGH, Urt. v. 25.11.2020 - XII ZR 40/19
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Wenn ein Mieter nach einer berechtigten Kündigung nicht auszieht, muss er dem Vermieter eine entsprechende Nutzungsentschädigung zahlen. Die Frage, wie sich ein solcher Umstand bei einem auszugsunwilligen Untermieter verhält, musste einmal mehr der Bundesgerichtshof (BGH) klären.
Ein Vermieter hatte eine über 100 m2 große Wohnung an einen Hauptmieter vermietet, der eine 7 m2 große Kammer der Wohnung an einen anderen untervermietete. Das Hauptmietverhältnis endete nach dem Tod des Hauptmieters. Dann forderte der Vermieter den Untermieter erfolglos zur Herausgabe der Wohnung auf. Mitte des Jahres wurde der Untermieter zur Räumung verurteilt, und es wurde ihm eine Räumungsfrist bis zum 30.09. gewährt. Nun verlangte der Vermieter von dem Untermieter nach dessen Zwangsräumung im Oktober die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die gesamte Wohnung für die Monate März bis September. Insgesamt ging es um etwas über 2.000 EUR.
Der BGH sah die Sache so: Wird dem Untermieter, der nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses über eine Wohnung und Räumung durch den Hauptmieter die untergemieteten Wohnräume an den Eigentümer nicht herausgibt, eine gerichtliche Räumungsfrist gewährt, kann der Eigentümer auch den vollen Schadensersatz verlangen. Der Untermieter schuldet ihm demnach eine Nutzungsentschädigung für die gesamte Wohnung. Für den Vermieter sei es schließlich unzumutbar, wenn die dem in der Wohnung verbliebenen Untermieter gewährte Räumungsfrist dazu führe, dass er die Miete nur in Höhe des Untermietzinses erhielte.
Hinweis: Die Untervermietung hat schon zu viel Streit geführt. Genaue vertragliche Regelungen können helfen - bitten Sie also besser Ihre Rechtsberatung rechtzeitig um fachliche Mithilfe.
Quelle: BGH, Urt. v. 11.12.2020 - V ZR 26/20
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Wer einem Mieter zu Unrecht wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs kündigt, kann sich schadensersatzpflichtig machen. Ob infolge einer unrechtmäßigen Kündigung aber sämtliche Folgekosten erstattungspflichtig sind, musste im Fall von Maklergebühren der Bundesgerichtshof (BGH) beantworten.
Ein Mieter hatte zunächst die Kündigung wegen Eigenbedarf und danach eine Räumungsklage erhalten. Während des laufenden Berufungsverfahrens erwarb der Mieter unter Einschaltung eines Maklers eine Eigentumswohnung in Berlin. Hierfür stellte ihm der Makler eine Provision über knapp 30.000 EUR in Rechnung. In der Berufungsinstanz schlossen Vermieter und Mieter sodann einen Räumungsvergleich, worin sich der Mieter zum Auszug verpflichtete. Im Nachhinein stellte sich jedoch heraus, dass der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hatte. Daraufhin wurde er von seinem ehemaligen Mieter auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Insbesondere wollte er die Maklerkosten erstattet erhalten.
Da war der BGH jedoch anderer Ansicht. Ein Mieter, der wegen einer Pflichtverletzung des Vermieters aus der Wohnung auszieht und keine neue Wohnung anmietet, sondern Wohnungs- oder Hauseigentum erwirbt, kann die zum Zweck des Eigentumserwerbs angefallenen Maklerkosten nicht als Schadensersatz vom Vermieter ersetzt verlangen. Der Schaden muss nämlich in einem inneren Zusammenhang mit dem sogenannten Gebrauchserhaltungsinteresse des Mieters stehen. Und Maklerkosten fallen nicht darunter.
Hinweis: Die Kündigung des Vermieters sollte stets rechtmäßig sein. Andernfalls drohen hohe Schadensersatzzahlungen. Lassen Sie eine solche Kündigung stets rechtzeitig von Ihrer Rechtsberatung prüfen - egal ob als gekündigter Mieter oder als kündigender Vermieter.
Quelle: BGH, Urt. v. 09.12.2020 - VIII ZR 238/18
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Wer der Meinung ist, Wohneigentum verhindert unnötige Streitigkeiten, ist noch nicht in den Genuss gekommen, eines von vielen Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) zu sein. So musste der Bundesgerichtshof (BGH) auch im folgenden Fall zwischen den Streitparteien eines Objekts vermitteln - und zwar mit Aufklärung in Sachen Zustimmungsrechten und -pflichten.
Hier ging es um eine WEG mit drei Wohnungen. Die Vermietung einer Wohnung bedurfte gemäß der gemeinschaftlich vereinbarten Teilungserklärung der schriftlichen Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer. Diese durfte allerdings nur aus wichtigem Grund versagt werden. Nun wollte ein Eigentümer die Wohnung einer Familie mit vier kleinen Kindern überlassen. Die anderen Eigentümer verweigerten jedoch ihre Zustimmung, weil der Eigentümer den entsprechenden Mietvertrag nicht vorlegte. Die WEG sah genau darin einen der wichtigen Gründe zur Verweigerung der Zustimmung.
Doch diese Ansicht hat der BGH verneint. Denn die Nichtvorlage des Mietvertrags sei kein wichtiger Grund zur Verweigerung der Zustimmung. Zwar muss ein Eigentümer, der von der Zustimmung der anderen abhängig ist, Informationen und Unterlagen zu Namen, Beruf, Familienstand, Wohnanschrift und zur Zahl der einziehenden Personen geben - der Mietvertrag selbst gehört jedoch nicht zu den zwingenden Voraussetzungen für eine entsprechende Zustimmung. Gleiches gilt übrigens laut BGH für den Fall, dass ein Wohnungseigentümer seine Wohnung verkauft. Auch in einem solchen Fall muss er den Kaufvertrag seinen Miteigentümern nicht vorlegen.
Hinweis: Im Wohnungseigentumsrecht gibt es viele Neuerungen, insbesondere durch neue gesetzliche Regelungen. Wer hierbei rechtlich sattelfest bleiben mag, sollte sich der Hilfe einer anwaltlichen Fachkraft des Mietrechts bedienen.
Quelle: BGH, Urt. v. 25.09.2020 - V ZR 300/18
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Zum Thema Verkehrsrecht
- 75%ige Haftung: Ein Halteverbot an Bushaltestellen erstreckt sich auch auf den angrenzenden Seitenstreifen
- Auffällige Fahranfängerin: Die Anordnung eines Aufbauseminars ist auch nach Ablauf der Probezeit rechtens
- Mobiles Halteverbotsschild: Wer dem Anscheinsbeweis widersprechen will, braucht stichhaltige Beweise
- Nicht bewiesener Stillstand: Mitverschulden an Kollision beim Rückwärtsfahren aus Parkplatz
- Selbst nach Fachreparatur: Gebrauchtwagenhändler muss ungefragt auf bekannte Mängel oder frühere Unfallschäden hinweisen
Rein menschlich kann man Falschparken bei der Kombination aus Eile und mangelndem Parkraum womöglich noch nachvollziehen. Dass man rechtlich jedoch schnell den Holzweg einschlagen kann, wenn man bei einer aufgrund eines Parkverstoßes erfolgten Beschädigung seines Fahrzeugs auch noch Schadensersatz einfordert, zeigt das folgende Urteil des Landgerichts Saarbrücken (LG).
Eine Autofahrerin parkte mit ihrem Fahrzeug auf dem Gehweg im Bereich einer mit Haltstellenzeichen ausgewiesenen Bushaltestelle. Ein Linienbus hatte an der Haltestelle angehalten und berührte den Pkw beim Versuch, aus der Haltestelle auszufahren. Die Fahrerin des geparkten Fahrzeugs forderte daraufhin Schadensersatz von der gegnerischen Haftpflichtversicherung. Sie war der Ansicht, dass der Busfahrer den Schaden allein verursacht habe, da das Fahrzeug nicht im Bereich der Haltestelle abgestellt gewesen sei, sondern auf dem Gehweg. Doch auch hier befand sich die Frau auf dem Irrweg.
Das verbotswidrig auf dem Gehweg neben der Bushaltestelle abgestellte Fahrzeug stellte nach Auffassung des LG nämlich ein Hindernis im öffentlichen Verkehrsraum dar. Die damit einhergehende Gefahr einer Kollision anderer Verkehrsteilnehmer habe sich durch den die Bushaltestelle verlassenden Linienbus verwirklicht, so dass die Haftung der Autofahrerin gegeben ist. Zudem lag ein Verstoß gegen das Parkverbot innerhalb einer Strecke von 15 Metern vor und hinter einer Bushaltestelle vor. Zwar dient das Zeichen 224 in erster Linie dem Zweck, die Fahrbahn der Haltestelle für das öffentliche Verkehrsmittel freizuhalten, um diesem ein ungehindertes An- und Abfahren zu ermöglichen. Es bezieht sich allerdings auch auf den Seitenstreifen, um das unbeeinträchtigte Ein- und Aussteigen von Fahrgästen zu gewährleisten. Zudem muss der Bereich neben den Haltebuchten auch deshalb freigehalten werden, da beispielsweise Gelenkbusse Überhänge haben, die beim Ein- und Ausfahren erfahrungsgemäß über die Bordsteinkante hinausragen können. Das LG sah daher eine Haftung von 75 % zu Lasten der Klägerin als angemessen an.
Hinweis: Der Unfall war für die Pkw-Fahrerin auch nicht unabwendbar. Denn unabwendbar ist ein Unfall nur dann, wenn es auch durch äußerste Sorgfalt - gemessen an den Anforderungen eines Idealfahrers - nicht hätte vermieden werden können. Eine Haftung von 75 % zu Lasten der Pkw-Fahrerin ist hier daher angemessen.
Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 13.11.2020 - 13 S 92/20
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Im Folgenden musste das Verwaltungsgericht Koblenz (VG) über die Frage entscheiden, ob die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar für Fahranfänger nach Ablauf der Probezeit auch dann rechtmäßig ist, wenn zwischen einem Verkehrsverstoß und der behördlichen Maßnahme ein längerer Zeitraum liegt, in dem der Betroffene beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen hat.
Eine Fahranfängerin wurde innerhalb ihrer Probezeit mit zwei schwerwiegenden Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr auffällig. Diese Verkehrsverstöße wurden zunächst jeweils mit Bußgeldern und der Eintragung von Punkten im Fahreignungsregister geahndet - erst, nachdem die Probezeit abgelaufen war, ordnete die zuständige Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar an. Dies akzeptierte die Frau jedoch nicht und argumentierte, der mit einem Aufbauseminar verfolgte Zweck, Defizite bei noch jungen Fahrern zu beseitigen, greife nur dann, wenn die Maßnahme zeitnah ergriffen werde. Dies sah das VG anders.
Das Gesetz lasse die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar nach Ablauf der Probezeit ausdrücklich zu. Aus diesem Grund sei sie auch dann noch zulässig, wenn seit der letzten Zuwiderhandlung eine längere beanstandungsfreie Zeit verstrichen sei.
Hinweis: Sinn und Zweck eines Aufbauseminars ist, Fahranfänger zu einem verkehrsordnungsgemäßen Verhalten anzuhalten. Gründe der Verhältnismäßigkeit erfordern zwar eine maximale zeitliche Grenze für den Zeitraum zwischen der begangenen Zuwiderhandlung und der behördlichen Anordnung. Ob man bei der Anordnung des Aufbauseminars pauschal auf einen Zeitraum von zwei Jahren oder auf die Tilgungsreife der Tat im Fahreignungsregister abstellt, konnte hingegen offenbleiben. Beide Ansichten führten im hier entschiedenen Fall dazu, dass die behördliche Anordnung rechtmäßig war. Denn die letzte Zuwiderhandlung hatte nur 15 Monate zurückgelegen, und auch die Tilgungsreife der im Fahreignungsregister eingetragenen Taten war noch nicht eingetreten.
Quelle: VG Koblenz, Urt. v. 14.12.2020 - 4 K 612/20.KO
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Ein "Hab’ ich nicht gesehen!" ist bei einem Verstoß gegen ein Halteverbot wohl die beliebteste Ausrede. Dass ein solcher Vortrag jedoch nur bei eindeutigen Beweisen vor Gericht standhalten kann, zeigt das folgende Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (VG), das sich um ein mobiles Halteverbotsschild drehte.
Im Juni 2019 wurde in einer Stadt in Nordrhein-Westfalen ein Pkw abgeschleppt, da dieser im mobilen absoluten Halteverbot stand. Nachfolgend erging gegen den Halter des Fahrzeugs ein Kostenbescheid. Dagegen klagte der Mann und gab an, ein mobiles Halteverbotsschild nicht gesehen zu haben. Jedoch konnte nachgewiesen werden, dass das Schild sechs Tage vor dem Abschleppvorgang aufgestellt wurde und zum Zeitpunkt des Abschleppens noch aufgestellt war. Der Fahrzeughalter parkte sein Fahrzeug also nachweislich innerhalb dieses Zeitfensters.
Entsprechend erging der Kostenbescheid nach Auffassung des VG rechtmäßig. Steht fest, dass ein mobiles Halteverbotsschild aufgestellt wurde und es zum Zeitpunkt des Abschleppvorgangs noch aufgestellt war, spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass es ununterbrochen anwesend und wahrnehmbar war. Nach der Lebenserfahrung werden Schilder in der Regel nicht von Unbefugten versetzt oder gar entfernt. In Bezug auf Einschränkungen des Parkens und Haltens ist ein Verkehrsteilnehmer daher grundsätzlich verpflichtet, sich nach etwa vorhandenen Verkehrszeichen mit Sorgfalt umzusehen und sich über den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich eines (mobilen) Haltverbotsschilds zu informieren. Dabei muss er stets den leicht einsehbaren Nahbereich auf das Vorhandensein verkehrsrechtlicher Regelungen überprüfen, bevor er sein Fahrzeug endgültig abstellt.
Hinweis: Der geltende Anscheinsbeweis kann nur widerlegt werden, wenn Tatsachen vorgebracht werden, die eine ernsthafte und naheliegende Möglichkeit eines atypischen Verlaufs begründen.
Quelle: VG Düsseldorf, Urt. v. 06.10.2020 - 14 K 6187/19
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Parkplätze bergen für Verkehrsteilnehmer ganz eigene Tücken. Besonders das rückwärtige Ein- und Ausfahren aus den vorgesehenen Plätzen ist dabei nicht ohne. So musste das Landgericht Saarbrücken (LG) im Folgenden bewerten, ob und ab wann ein angeblich vorzeitiges Bremsen den einen von zwei beteiligten Autofahrern von der Haftung nach einer Kollision befreit.
Zwei Verkehrsteilnehmer wollten rückwärts aus ihren gegenüberliegenden Parklücken ausparken und in den Fließverkehr einfädeln. Dabei kam es zur Kollision. Beide Beteiligten forderten schließlich Schadensersatz von den jeweils zuständigen Haftpflichtversicherungen. Ein Beteiligter forderte den Ersatz der gesamten Schadenssumme und behauptete, zum Zeitpunkt der Kollision bereits gestanden zu haben. Daher sei ihm kein Mitverschulden an dem Unfall anzulasten. Vielmehr sei der andere aufgrund einer Unaufmerksamkeit auf sein stehendes Fahrzeug aufgefahren und hafte somit allein. Doch dessen Versicherung wollte lediglich 50 % des Schadens übernehmen.
In den Augen des LG konnte jedoch der bei einer Kollision beim Rückwärtsfahren geltende Anscheinsbeweis nicht erschüttert werden, dass die Kollision aufgrund einer beiderseitigen Unaufmerksamkeit entstanden sei. Selbst wenn man unterstelle, dass das eine Fahrzeug gestanden habe, sei es nicht mehr aufklärbar gewesen, wann der Stillstand erfolgt sei. Um den Anscheinsbeweis zu erschüttern, müsse feststehen, dass das Abbremsen so rechtzeitig erfolgt sei, dass der andere Verkehrsteilnehmer dies hätte erkennen können, um auf die neue Situation zu reagieren. Ein sehr enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Stillstand und Kollision lege es jedoch nahe, dass das Abbremsen so kurz vor dem Unfall erfolgte, dass der andere Beteiligte nicht mehr reagieren konnte. Die Haftungsteilung sei in einem solchen Fall daher angemessen.
Hinweis: In der Rechtsprechung ist folgender Grundsatz anerkannt: Kollidieren zwei jeweils rückwärts ausparkende Fahrzeuge auf einem Parkplatz, berechtigt allein der Umstand, dass einer der beiden Pkw in einem nicht näher einzugrenzenden Zeitpunkt vor dem Zusammenstoß zum Stehen gekommen war, nicht zur Annahme eines unabwendbaren Ereignisses. Somit tritt die Betriebsgefahr dieses Pkw im Einzelfall nicht schon allein wegen des vorkollisionären Stillstands zurück.
Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 13.11.2020 - 13 S 27/20
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Gebrauchtwagenkäufe gelten als wirtschaftlich cleverere Variante gegenüber einem Neuwagenerwerb. Dennoch sind die Stolperfallen dabei nicht unerheblich. So musste das Landgericht Coburg (LG) im Folgenden klarstellen, ob ein Gebrauchtwagenverkäufer ungefragt auf bekannte Mängel oder Unfallschäden durch den Vorbesitzer hinweisen muss, selbst wenn der Schaden fachgerecht repariert wurde.
Der Kläger hatte vom Beklagten einen seinerzeit sieben Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von 122.000 km zum Preis von 10.500 EUR gekauft und dabei auch einen Gewährleistungsausschluss vereinbart. Zugleich hatte der beklagte Verkäufer dem Kläger zugesichert, dass das Fahrzeug keinen Unfallschaden erlitten habe, solange es im Eigentum des Beklagten war, und dass mit Ausnahme eines Schadens an der Frontstoßstange keine weiteren Beschädigungen vorlägen. In der Folgezeit wurde der Pkw nach einem Unfall begutachtet, wodurch sowohl verschiedene unreparierte als auch reparierte Vorschäden festgestellt wurden. Daraufhin focht der Kläger den Kaufvertrag an und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises.
Die Klage auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung hatte überwiegend Erfolg. Das LG sah im Verhalten des Beklagten eine arglistige Täuschung. Demnach besteht für den Verkäufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs die Verpflichtung, den potentiellen Käufer auch ungefragt auf bekannte Mängel oder frühere Unfallschäden hinzuweisen - und zwar selbst dann, wenn der Schaden fachgerecht repariert wurde. Eine Ausnahme gilt nur für sogenannte Bagatellschäden - also ganz geringfügige äußere Schäden, beispielsweise im Lack. Angesichts der Reparaturkosten von mehr als 5.000 EUR lag eine solche Ausnahme hier jedoch nicht vor, so dass eine Aufklärung des Klägers über diesen Unfallschaden geboten gewesen war. Weil dem Beklagten aber dieser frühere Unfallschaden auch tatsächlich bekannt war, handelte er zudem sogar arglistig, als er den Käufer nicht darüber informierte.
Hinweis: Der Käufer muss in einem Prozess beweisen, dass er vom Verkäufer arglistig getäuscht wurde. Der Nachweis ist erbracht, wenn der Verkäufer zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer bei wahrheitsgemäßer Information den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt oder zu diesem Preis geschlossen hätte.
Quelle: LG Coburg, Urt. v. 24.09.2020 - 15 O 68/19
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Zum Thema Sonstiges
- Achtlos hangaufwärts geschwungen: Ein Verstoß gegen die FIS-Regeln beim Skifahren kann teuer zu stehen kommen
- Angabe von Gründen: BGH definiert, welche Bedingungen Prämienerhöhungen der PKV erfüllen müssen
- BGH bestätigt Befangenheit: Ablehnung des Richters bei langjähriger Freundschaft seiner Gattin mit der Beklagten gerechtfertigt
- Selbstschädigungsgefahr von Demenzerkrankten: Heimträger müssen ihre Schutzpflichten auf die Krankheitsbilder der Bewohner anpassen
- Von Kartoffel getroffen: Kind hat nach zwei Angriffen der Nachbarin nicht ohne weiteres Anrecht auf Kontaktaufnahmeverbot
Egal, auf welche Pisten sich ein Skiurlauber zu schwingen gedenkt - er sollte dabei stets die geltenden Regelungen des internationalen Skiverbands (FIS-Regeln) beachten. Denn dass eine Missachtung des anerkannten Verhaltenskodex teuer werden kann, zeigt der folgende Fall des Landgerichts Frankenthal (LG).
Zwei deutsche Skifahrer hatten an einer Skireise nach Kanada teilgenommen. Bei einer gemeinsamen Abfahrt der Reisegruppe wurde der eine Wintersportler von dem anderen überholt. Hierbei kam es zu einem Zusammenstoß. Bei dem Verletzten wurde nach seiner Rückkehr nach Deutschland ein Kreuzband- und Seitenbandriss sowie eine Verletzung des Innen- und Außenmeniskus festgestellt. Der Skifahrer hatte die FIS-Regeln bei dem Überholmanöver verletzt und wurde zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 27.000 EUR verklagt - und vom LG auch entsprechend verurteilt.
Der Unfallverursacher hatte unmittelbar vor dem Unfall zum Linksschwung angesetzt und ist dann beim Ausfahren aus der Kurve leicht hangaufwärts gefahren. Hierbei gilt nach Nr. 5 der FIS-Regeln jedoch eine besondere Sorgfaltspflicht, die der Skifahrer nicht beachtet hatte. Jeder Skifahrer, der hangaufwärts schwingen oder fahren will, muss sich nach unten und nach oben vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann. Und der Unfall bewies, dass dies hier nicht erfolgt war.
Hinweis: Es zeigt sich, wie wichtig eine private Haftpflichtversicherung sein kann. Diese wird wohl mit großer Wahrscheinlichkeit den Skifahrer davor schützen, selbst zahlen zu müssen.
Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 17.11.2020 - 7 O 141/19
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(aus: Ausgabe 03/2021)
In gleich zwei parallelen Verfahren verklagten Mitglieder ihre private Krankenversicherung (PKV), da sie deren unbegründete Beitragserhöhungen für nicht rechtmäßig erachteten. In der Tat urteilten die Gerichte, dass eine Erhöhung ohne Begründung unzulässig sei. Doch damit war der Fall nicht abschließend geklärt, so dass erst der Bundesgerichtshof (BGH) grundlegende Rahmenbedingungen für eine korrekte Verfahrensweise zu Beitragerhöhungen definieren musste.
Die Versicherung holte zunächst die angemahnte Begründung ihrer Beitragserhöhung nach. Damit war zwar der Mangel geheilt - dennoch war die Erhöhung der Beiträge wegen fehlender Begründung bis zu diesem Zeitpunkt unwirksam. Die Versicherung musste die bis dahin gezahlten Erhöhungen an den Versicherten zurückzahlen.
Und auch der BGH urteilte nach eingelegter Revision, dass die Beiträge ohne Angabe der Rechnungsgrundlage für die Beitragsanpassung - wie Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeit - nicht erhöht werden können. Erst dann starte die Frist für die Beitragsanpassung. Selbst ein Nachreichen einer solchen Begründung führe nicht zu einer rückwirkenden Rechtmäßigkeit. Der Senat betonte, dass die Mitteilung der Gründe es dem Versicherungsnehmer ermöglichen soll nachzuvollziehen, welche konkreten Gründe für eine Erhöhung vorliegen. So muss dabei auch deutlich werden, dass nicht das individuelle Verhalten des Versicherungsnehmers Grund für die Beitragserhöhung sei. Vielmehr soll dem Versicherungsnehmer deutlich gemacht werden, dass veränderte Umstände die Beitragsanpassung veranlasst haben. Gleichsam weist der BGH jedoch auch darauf hin, dass der Versicherer nicht zur Mitteilung verpflichtet sei, in welcher Höhe genau sich die Rechnungsgrundlage geändert hat.
Hinweis: Prämienerhöhungen anstandslos zu akzeptieren, kann durchaus ein Fehler sein. Ob jedoch eine unzulässige Prämienerhöhung vorliegt, sollte sorgsam durch eine Fachkraft geprüft werden.
Quelle: BGH, Urt. v. 16.12.2020 - V ZR 314/19
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Im folgenden Fall musste der Bundesgerichtshof (BGH) über das sogenannte "Vitamin B" befinden. Da Justizia schließlich nicht umsonst mit verbundenen Augen dargestellt wird, um ihre Neutralität allen Streitparteien gegenüber zu symbolisieren, sollte auch eine private Verbindung zwischen Richter und Klägern bzw. Beklagten ausgeschlossen werden - oder etwa nicht?
Hierbei ging es um einen Rechtsstreit in einer Wohnungseigentümergemeinschaft über die Stellflächen von Kraftfahrzeugen. Das Amtsgericht hatte die Klage erstinstanzlich abgewiesen, wogegen Eigentümer in Berufung gingen. Dabei kam es zur folgenden ungewöhnlichen Konstellation: Die Ehefrau des Vorsitzenden Richters der zuständigen Berufungskammer war seit Jahren mit der Beklagten befreundet. Der Vorsitzende Richter hatte davon in einem von den Klägern gegen alle übrigen Wohnungseigentümer geführten Beschlussanfechtungsverfahren 2015 eine Mitteilung gemacht und erklärt, selbst seit Jahren keinen Kontakt mit der Beklagten zu haben. Trotzdem lehnten die Kläger den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab - zu Recht.
Der BGH war der Auffassung, dass die Besorgnis der Befangenheit begründet ist, wenn zwischen dem Ehegatten des abgelehnten Richters und einer Prozesspartei eine enge bzw. langjährige Freundschaft besteht.
Hinweis: Die Ablehnung eines Richters muss gut begründet sein. Zudem sollte dabei stets berücksichtigt werden, dass sich dadurch der Prozess verlängert.
Quelle: BGH, Urt. v. 19.11.2020 - V ZB 59/20
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Wer Menschen betreut und pflegt, hat hohe Schutzpflichten übernommen und muss diesen auch gerecht werden. Dieser folgenschwere Fall, der vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landete, drehte sich darum, welche Eventualitäten in einem Pflegeheim in Betracht gezogen werden müssen, sobald eine Selbstgefährdung desorientierter Patienten festgestellt wurde.
Ein im Jahr 1950 geborener Mann lebte - hochgradig dement und desorientiert - in einem Pflegeheim und wies demenztypische Symptome wie Lauftendenz, Selbstgefährdung, nächtliche Unruhe und Sinnestäuschungen auf. Das Pflegeheim brachte ihn in einem Zimmer im dritten Obergeschoss unter, das über zwei große Dachfenster verfügte, die gegen ein eigenständiges Öffnen nicht gesichert waren. Der Abstand zwischen dem Fußboden und den Fenstern betrug zwar 120 cm, vor den Fenstern befanden sich jedoch zudem ein 40 cm hoher Heizkörper sowie in 70 cm Höhe eine Fensterbank, über die man stufenweise zur Fensteröffnung gelangen konnte. Es passierte schließlich, was passieren musste: Der Mann fiel aus einem der beiden Fenster und verstarb nach mehreren Operationen. Seine Witwe verlangte nun Schmerzensgeld vom Heimbetreiber.
Der BGH verwies die Angelegenheit zwar an die Vorinstanz zurück, machte aber deutlich, dass ein Schmerzensgeld zu zahlen sein wird. Denn ein an Demenz erkrankter Pflegeheimbewohner darf bei einer Selbstschädigungsgefahr nicht in einem im Obergeschoss gelegenen Wohnraum mit einfach zu öffnenden Fenstern untergebracht werden. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob ein solcher Unglücksfall nahe lag. Auch eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, löst Sicherungspflichten des Heimträgers aus.
Hinweis: Erfahren Sie von Missständen in Pflegeeinrichtungen, sollten Sie nicht davor zurückschrecken, die entsprechenden Aufsichtsbehörden zu informieren. Dabei kann Ihr Rechtsanwalt behilflich sein.
Quelle: BGH, Urt. v. 14.01.2021 - III ZR 168/19
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Dass Kinder in ihrer Natur einem gern mal den sogenannten letzten Nerv rauben können, wird allgemeinhin wohl mit einem Nicken bestätigt. Glücklicherweise stimmen jedoch auch die meisten zu, dass man nicht nur selbst nicht anders gewesen war, sondern Gewalt als Reaktion auf jeden Fall abzulehnen sei. Im Folgenden war das Amtsgericht Frankfurt am Main (AG) mit der Bewertung eines Vorgangs betraut worden, in dem eine Erwachsene nicht adäquat auf ein Kind reagiert hatte. Ob der Vorfall gleichsam Anlass für ein Kontaktaufnahmeverbot ausreichte? Lesen Sie selbst.
Mehrere Kinder spielten im Hof eines Wohnhauses, als sich eine Nachbarin genau dadurch gestört fühlte. Sie warf daraufhin mit Kartoffeln nach den Kindern und traf dabei ein Kind am Rücken. Zudem griff die Frau das Kind an einem anderen Tag am Arm, hielt es fest und zog an ihm. Schließlich weinte das Kind - und es konnte nachts nicht mehr schlafen. Daher beantragte der Vertreter des Achtjährigen die Festsetzung eines Annäherungs- und Kontaktaufnahmeverbots im Wege der einstweiligen Verfügung - mit wenig Erfolg.
Das AG entschied, dass das Bewerfen eines Kindes mit einer Kartoffel und das Ziehen an dessen Arm nicht gleich ohne weiteres Handlungen darstellen, die den Erlass einer Gewaltschutzanordnung rechtfertigten. Eine Strafbarkeit hat das Gericht nicht gesehen.
Hinweis: Gewalt ist keine Lösung - niemals. Betroffene sollten Beratungsstellen oder eben auch den Rechtsanwalt ihres Vertrauens aufsuchen.
Quelle: AG Frankfurt am Main, Urt. v. 16.11.2020 - 456 F 5230/20 EAGS
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(aus: Ausgabe 03/2021)