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Zum Thema Familienrecht
- Ausgleich der Unterhaltsspitze: Eltern können bei Unterhalt im paritätischen Wechselmodell in eigenem Namen klagen
- EuGH: Unionsrecht schreibt Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehe, nicht deren Eintragung vor
- Kindeswohl: Mutter darf nicht beim Ex-Partner die Wohnung inspizieren
- Künstliche Befruchtung: Klinik muss kryokonservierte Spermien des verstorbenen Ehepartners herausgeben
- Unzulässige Teilentscheidung: Familienrichter dürfen Umgangsregelung nicht einfach ablehnen
Eltern sind ihren Kindern zu Unterhalt verpflichtet. Leben die Eltern getrennt, stellt sich im Streitfall immer die Frage, ob die Eltern den Unterhaltsanspruch des Kindes im eigenen Namen oder als gesetzlicher Vertreter einklagen müssen. Und da es so oft heißt, es käme immer auf den Fall an, musste das Amtsgericht Gemünden (AG) darauf eine Antwort finden.
Die miteinander verheirateten Eltern leben dauerhaft getrennt und betreuen die Kinder im paritätischen Wechselmodell. Nun wollte die Mutter den Ausgleich der Unterhaltsspitze hinsichtlich des Kindesunterhalts gerichtlich klären lassen und im Wege der einstweiligen Anordnung erreichen, dass ihr das Alleinvertretungsrecht für die Geltendmachung von Kindesunterhalt (im Wechselmodell) für die gemeinsamen Kinder zugewiesen wird. Hilfsweise solle ein Ergänzungspfleger zur Geltendmachung des Kindesunterhalts bestellt werden. Der Vater sah jedoch keinerlei Regelungsbedürfnis.
Das AG hat die Anträge der Mutter abgewiesen. Der Mutter musste nämlich gar keine Entscheidungsbefugnis übertragen werden, da sie die Unterhaltsansprüche der Kinder im eigenen Namen geltend machen kann. § 1629 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch regelt ausdrücklich, dass ein Elternteil die Kinder allein und in eigenem Namen vertreten kann, wenn die Eltern zwar verheiratet sind, aber getrennt leben. Weitere Voraussetzungen - wie ein überwiegender Aufenthalt oder die Obhut bei einem Elternteil - verlangt die Norm nicht. Und da die Mutter bereits alleinvertretungsbefugt war, musste auch kein Ergänzungspfleger bestellt werden.
Hinweis: Das hätte die Mutter wirklich leichter haben können. Gerade im Familienrecht gilt es, genau zu lesen, wo eine Obhut gefordert ist und wo ein überwiegender Aufenthalt - denn gerade daran kann sich entscheiden, ob man im eigenen Namen klagebefugt ist oder eben nicht.
Quelle: AG Gemünden, Beschl. v. 17.03.2025 - 002 F 72/25
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Das sogenannte Unionsrecht verpflichtet einen EU-Mitgliedstaat zur Anerkennung der Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen. Dass daraus aber nicht unbedingt der Anspruch auf Eintragung der Heiratsurkunde in ein Personenstandsregister folgt, war dem Schlussantrag des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu entnehmen.
Zwei polnische Staatsbürger (einer zudem Deutscher) gingen in Berlin die Ehe ein. Das Paar beantragte die Umschreibung ihrer deutschen Heiratsurkunde in das polnische Personenstandsregister. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt, da das polnische Recht die Eheschließung zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht vorsieht. Die Eheleute klagten gegen diese Ablehnung. Das mit der Sache befasste polnische Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH seine Fragen zur Vorabentscheidung vor: Es wollte wissen, ob die Regelung oder die Praxis eines Mitgliedstaats mit dem Unionsrecht überhaupt vereinbar sei, wenn dadurch weder ermöglicht wird, die Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen anzuerkennen noch die entsprechende Heiratsurkunde in das Personenstandsregister einzutragen.
Der Generalanwalt stellte in seinem Schlussantrag fest, dass das Personenstandsrecht zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle, bei der Ausübung dieser Zuständigkeit aber Unionsrecht beachtet werden müsse. Werde die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossene Ehe nicht anerkannt, könne dies das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens beeinträchtigen. Sehe ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht vor, muss er dennoch geeignete Verfahren einführen, die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossene Ehen nach außen dokumentieren. Jeder Mitgliedstaat muss also die Modalitäten der Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren festlegen. Dies muss nicht durch Eintragung der Heiratsurkunde in ein Personenstandsregister geschehen, aber sicherstellen, dass die Ehe auch ohne diese Formalität ihre Wirkungen entfaltet.
Hinweis: Ist die Eintragung das einzige Mittel, die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Personen in einem Mitgliedstaat anzuerkennen, dann muss diese auch möglich sein. Gibt es alternative Anerkennungswege, bestehe kein Anspruch auf Eintragung.
Quelle: EuGH, Schlussantrag des Generalanwalts v. 03.04.2025 - C-713/23
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Wird gegen eine getroffene Umgangsvereinbarung verstoßen, drohen Ordnungsgelder. Ein freizügiges Sexualleben Erwachsener gehört jedoch nicht per se zu den vollstreckbaren Risiken, die eine Erziehung und Betreuung von Kindern zwingend erschweren. Im Folgenden befürchtete eine Mutter, dass eben genau dies geschehen könnte, und nahm sich Freiheiten gegenüber dem Kindesvater heraus, gegen die das Amtsgericht Sonneberg einschreiten musste.
Die Eltern hatten bei Trennung eine gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung abgeschlossen. Darin hatte sich der Vater verpflichtet, die Mutter jeweils montags vor Beginn seiner Umgangswoche in die Wohnung zur Nachschau zu lassen. Sie wollte sicherstellen, dass keine Sexspielzeuge herumliegen. Schließlich habe man während der intakten ehelichen Lebensgemeinschaft einvernehmlich ein Sexualleben geführt, das von der Dominanz der Frau und der Unterwerfung des Mannes geprägt war. Seit Dezember 2024 verweigerte der Mann dann jedoch diese Nachschau, woraufhin die Frau ein Ordnungsgeld gegen ihn erwirken wollte.
Damit scheiterte sie aber. Zwar sei es laut § 89 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit möglich, bei der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs ein Ordnungsgeld festzusetzen. Dies ginge aber nur, wenn die Pflicht, gegen die verstoßen wurde, an sich selbst vollstreckbar wäre - also das Gericht feststellen könnte, dass durch die Zuwiderhandlung des Elternteils Erziehung und Betreuung der Kinder durch den anderen Elternteil erschwert wären. Dann erst könne das Gericht deswegen die Auflage erteilen, diese Zuwiderhandlung zu unterlassen (§ 1684 Abs. 3 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Hier aber gab es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass durch die Verweigerung der Nachschau die Erziehung oder Betreuung der Kinder erschwert werde. Zudem hatte der Vater von Anfang an versichert, dass er seine Utensilien vor den Kindern sicher verwahre.
Hinweis: Umgangsregelungen sollten immer mit vollstreckungsfähigem Inhalt getroffen werden. Dann kann bei Zuwiderhandlung auch ein Ordnungsgeld erlassen werden.
Quelle: AG Sonneberg, Beschl. v. 10.03.2025 - 1 F 56/23
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Das Leben schreibt die schönsten, aber auch die tragischsten Geschichten. Wie im Fall des Landgerichts Frankfurt am Main (LG), in dem ein Ehepaar durch Kryokonservierung der männlichen Spermien Vorsorge für die Familienplanung treffen wollte und dann der Mann plötzlich verstarb. Wie war seitens der Klinik nun mit den Spermien zu verfahren?
Zu Lebzeiten hatte der Ehemann mit der Klinik einen Vertrag geschlossen, der vorsah, dass das konservierte Spermamaterial nach seinem Tod zu vernichten sei. Die Ehefrau verlangte nun aber die Herausgabe der Spermien. Die Klinik verweigerte die Herausgabe. Dies widerspräche dem Vertrag, aber auch dem Embryonenschutzgesetz (ESchG). Dieses verbiete die künstliche Befruchtung mit dem Samen eines Verstorbenen. Durch die Herausgabe könnten sich Mitarbeiter der Klinik strafbar machen.
Die Witwe zog daraufhin vor Gericht und bekam im Rahmen eines Eilverfahrens auch Recht. § 4 ESchG verbiete zwar, nach dem Tod eines Mannes eine Eizelle mit dessen Samen zu befruchten. Hier verlangte die Witwe aber gar keine Befruchtung, sondern lediglich die Herausgabe. Auch die vertraglich mit dem verstorbenen Ehemann vereinbarte Klausel zur Vernichtung des Keimmaterials nach seinem Tod greife hier nicht. Denn die hinterbliebene Ehefrau habe schlüssig und glaubhaft dargelegt, dass sich der Kinderwunsch der Eheleute individuell und losgelöst vom Vertrag weiterentwickelt habe. Bis zu seinem Tod hatte der Mann einen eindeutigen Kinderwunsch. Die Witwe konnte zur Überzeugung des LG darlegen, dass ihr Ehemann vor seinem Tod in die postmortale Verwendung seines Spermas wirksam eingewilligt habe.
Hinweis: Im Prinzip hat das LG dem Grundrecht des Mannes auf reproduktive Autonomie entsprochen. Die Entscheidung bedeutet aber nicht, dass eine Klinik in ähnlichen Fällen die konservierten Spermien immer herausgeben muss. Hier konnte sich die Ehefrau nur durchsetzen, weil sie eindeutig belegen konnte, dass sie ausdrücklich im Willen des Verstorbenen gehandelt hat.
Quelle: LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.02.2025 - 2-04 O 29/25
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Schon das Wort "Umgangsregelung" impliziert, dass eine Regelung irgendeiner Art getroffen wird. Ob es für eine solche rechtsgültige Umgangsregelung schon ausreicht, dass das Gericht bei einer Umgangsregelung ein einfaches "Nein, das machen wir so nicht!" ausspricht, musste in diesem Familienrechtsfall das Thüringer Oberlandesgericht (OLG) in Jena entscheiden.
Seit der Scheidung im Juni 2018 leben die Kinder bei ihrer Mutter. Alle 14 Tage holt der Vater sie am Wochenende zum Umgang ab. Er hat wieder geheiratet und zwei weitere minderjährige Kinder. Im August 2024 wollte der Mann den Umgang gerichtlich regeln lassen, da die Mutter mit den Kindern weggezogen war und damit gegen eine gemeinsame Absprache verstoßen habe. Seit dem Wegzug könne ein Umgang nur stattfinden, wenn der Vater eine Fahrstrecke von 560 km hin und zurück bewältige. Da er eine neue Familie habe und Vollzeit arbeite, zudem physisch und psychisch angegriffen sei, könne er die Umgangsfahrten nicht allein übernehmen. Die Mutter weigerte sich hingegen, sich an den Umgangsfahrten zu beteiligen und die Kinder zum Vater zu bringen und wieder abzuholen. So einen Anspruch gäbe es ihrer Ansicht nicht. Das Familiengericht hörte dann auch die beiden Kinder an, die ihrerseits meinten, die Fahrten nicht allein zurücklegen zu können. Also wies das Gericht den Vater zurück, wogegen er Beschwerde einlegte - und Recht bekam.
Die bloße Ablehnung einer gerichtlichen Umgangsregelung war in den Augen des OLG grundsätzlich unzulässig. Das Familiengericht muss entweder Umfang und Ausübung der Umgangsbefugnis konkret regeln oder - sofern dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist - die Umgangsbefugnis ebenso konkret einschränken oder ausschließen. Einfach ablehnen darf es eine gerichtliche Regelung hingegen nicht. Das OLG hat den Fall also an das Landgericht zurückverwiesen, das nun nochmal entscheiden muss. Wird eine gerichtliche Umgangsregelung verlangt, muss ein Gericht diese auch treffen. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Regelungsbedürfnis entfallen ist (etwa durch außergerichtliche Einigung). Dies war hier aber nicht der Fall.
Hinweis: Begehren auch Sie eine Umgangsregelung, dann bestehen Sie immer auf einer gut begründeten Entscheidung. Dies ist schließlich Kernaufgabe des Gerichts. Kommt es dieser nicht nach, ist die gerichtliche Entscheidung angreifbar.
Quelle: Thüringer OLG, Beschl. v. 02.04.2025 - 1 UF 16/25
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Zum Thema Mietrecht
- Auftraggeber zahlt: In solchen Fällen müssen keine Maklerkosten gezahlt werden
- Gewerbemietrecht: BGH erklärt Übernahme der Umsatzsteuer auf Miete und Nebenkosten durch Mieter für rechtens
- Irrtum der Feuerwehr: Gemeinde haftet für Schäden an fälschlicherweise aufgebrochener Wohnung
- Mindestanforderungen verfehlt: Energieberatungsfirma haftet für Schäden fachlich nicht zutreffender Beratung
- Nachtaktive Nachbarn: Wer regelmäßige Lärmbelastung ordentlich protokolliert, kommt endlich zur Ruhe
Der Bundesgerichtshof (BGH) musste einen Fall entscheiden, in dem der geltende Grundsatz umgangen werden sollte, dass bei verkäuferseitiger Maklerbeauftragung dessen Provision zu gleichen Teilen von Käufer und Verkäufer getragen wird. Da spiele es auch keine Rolle, dass der Kaufpreis entsprechend reduziert wird.
Ein Ehepaar kaufte eine Doppelhaushälfte. Mit der Vermittlung der Immobilie entstand der zuständigen Maklerin ein Anspruch von 25.000 EUR - und zwar der Verkäuferin gegenüber. Der im Expose vorgesehene Kaufpreis wurde dann um diese 25.000 EUR reduziert, zugleich verpflichteten sich die Käufer zur Zahlung eines Honorars in selbiger Höhe. Das Honorar zahlten sie also direkt an die Maklerin. Alle glücklich? Weit gefehlt. Die Käufer verlangten die von ihnen gezahlte Provision zurück, und dies zu Recht.
Der BGH erklärte die Vereinbarung über den Maklerlohn für komplett unwirksam. § 656d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist nicht nur auf Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrags untereinander anwendbar, hier also zwischen dem Ehepaar und der Verkäuferin. Vielmehr erfasst er auch vertragliche Vereinbarungen, durch die (unmittelbar oder mittelbar) ein Anspruch des Maklers auf Zahlung von Maklerlohn gegenüber der Partei des Kaufvertrags begründet wird, die selbst nicht Partei des Maklervertrags war. Da die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichtet waren, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, blieb die Verkäuferin, die den Maklervertrag abgeschlossen hatte, nicht zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet. Der Verstoß gegen § 656d BGB führt zur Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung. Die Käufer konnten die Rückzahlung des Maklerlohns in voller Höhe verlangen.
Hinweis: Die Umgehung von zwingenden gesetzlichen Vorschriften ist nie eine gute Idee. In jedem Fall sollte vorher ein Rechtsanwalt um Rat gebeten werden.
Quelle: BGH, Urt. v. 06.03.2025 - I ZR 138/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich mit einem steuerlichen Problem auseinandersetzen, das eine Mieterin aufwarf, als diese der Meinung war, dass sie doppelte Umsatzsteuer für einzelne Betriebskosten zahle. Ob und unter welchen Umständen dies gerechtfertigt ist, war gar nicht so einfach darzulegen.
In einem Vertrag zur Anmietung von Gewerberäumen war geregelt, dass die Mieterin die monatliche Grundmiete, Vorauszahlungen auf die Nebenkosten und die "jeweils gültige Mehrwertsteuer von derzeit 19 %" zu entrichten habe. Die Mieterin zahlte dann die Nebenkostenabrechnung zuzüglich der Umsatzsteuer. Dann fiel ihr auf, dass in einzelnen Betriebskosten bereits die Umsatzsteuer enthalten war, zum Beispiel bei Beträgen eines Hausmeisterdienstes. Deshalb meinte sie nun, doppelte Umsatzsteuer gezahlt zu haben. Denn die Vermieterin hatte die Kosten, in denen bereits die Umsatzsteuer enthalten war, umgelegt und dann noch einmal Umsatzsteuer darauf berechnet. Das hatte sie aber deshalb gemacht, da es sich um eine Wohnungseigentumsanlage/Teileigentumsanlage gehandelt hat und ein Herausrechnen der Umsatzsteuer aus den einzelnen Positionen gar nicht möglich war. Schließlich klagte die Mieterin die Rückzahlung der angeblich zu viel gezahlten Umsatzsteuer ein. Geld hat sie allerdings keins bekommen.
Die Vermieterin hatte die ihr von der Wohnungseigentümergemeinschaft in der Jahresabrechnung für umlagefähige Kostenpositionen in Rechnung gestellten Beträge einschließlich der darin enthaltenen Umsatzsteuer als Betriebskosten auf die Klägerin umgelegt - und durfte dies in Augen des BGH auch. Haben die Parteien eines gewerblichen Mietverhältnisses vereinbart, dass der Mieter die Umsatzsteuer auf Miete und Nebenkosten übernimmt, kann der Vermieter die zusätzliche Zahlung des Umsatzsteuerbetrags vom Mieter verlangen, wenn er selbst tatsächlich umsatzsteuerpflichtig ist. Der Vermieter kann auf die Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht nur dann verzichten, wenn der Mieter Unternehmer ist und die Mieträume für unternehmerische Zwecke nutzt.
Hinweis: Der Vermieter kann die Umsatzsteuer also nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen auf den Mieter abwälzen. Solche Fallgestaltungen bedürfen einer intensiven rechtlichen Begleitung.
Quelle: BGH, Urt. v. 15.01.2025 - XII ZR 29/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Es hat zumeist sehr gute Gründe, wenn sich die Feuerwehr gezwungen sieht, gewaltsam in eine Wohnung einzudringen. Doch in den Rettern stecken eben auch "nur" Menschen, und diese neigen naturgemäß manchmal dazu, sich zu irren. Wer dafür haftet, wenn sich die Feuerwehr in der Tür irrt, musste das Landgericht Stralsund (LG) entscheiden.
In einer Wohnungseigentumsanlage ging der Rauchwarnmelder an. Die Feuerwehr brach daraufhin eine Wohnungstür auf - leider die falsche, nämlich die der Nachbarwohnung. Der Eigentümer dieser Wohnung verlangte nun, dass die Gemeinde, für die die Feuerwehr tätig war, den Schaden übernehmen müsse. Die Gemeinde verweigerte hingegen den Kostenersatz. Der Türaufbruch sei schließlich nach den Grundsätzen der Anscheinsgefahr rechtmäßig erfolgt. Zumindest aber treffe die Feuerwehreinsatzkräfte kein Verschulden. Aber auch für eine verschuldensunabhängige polizei- und ordnungsrechtliche Entschädigung sei kein Raum. Daraufhin klagte der Eigentümer der Wohnung.
In Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung hat das LG einen Hinweisbeschluss erlassen. Das Gericht meinte, auch wenn der Aufbruch der falschen Wohnungstür durch die Feuerwehr durchaus rechtmäßig gewesen sein könnte, ändere dies an der Zahlungspflicht trotzdem nichts. Denn der Mann, dessen Eingangstür versehentlich aufgebrochen worden war, ist nach den betreffenden Bestimmungen des Polizei- und Ordnungsrechts zu entschädigen (§ 72 Abs. 1 Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern). Ihn traf an der ganze Sache schließlich keinerlei Verschulden; er war ein sogenannter "Nichtstörer".
Hinweis: Solche Hinweisbeschlüsse werden durch Gerichte gerade in der Berufungsinstanz häufig erlassen. In diesem Fall weiß die Gemeinde, dass sie zahlen muss, wenn ein Urteil gefällt wird. Das gibt ihr die Möglichkeit, den Anspruch vorher anzuerkennen und damit Kosten zu sparen.
Quelle: LG Stralsund, Beschl. v. 24.02.2025 - 2 O 154/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Man muss nicht alles können oder wissen, sondern nur die richtigen Fachleute kennen. Wenn eine hinzugezogene Beratungsfirma dann jedoch falsch berät, guckt so mancher zu Recht dumm aus der Wäsche. Im Folgenden ging es um das brandheiße Thema der energetischen Sanierung, das als Beratungsfehlleistung vor dem Landgericht Berlin II (LG) landete.
Ein Mann hatte eine Firma für Energieberatung mit der energetischen Sanierung seines Einfamilienhauses beauftragt. Nach der erfolgten Beratung beantragte er Förderleistungen und erhielt einen entsprechenden Zuwendungsbescheid. Daraufhin holte er Angebote für die Sanierungsmaßnahmen ein und schickte sie der Energieberatungsfirma. Nachdem diese die Angebote auch nicht beanstandete, gab der Eigentümer für den Verwendungsnachweis der Fördermittel in Absprache mit eben jener Beratungsfirma verschiedene Wärmedurchgangskoeffizienten an. Das Bundesamt teilte ihm daraufhin mit, dass die technischen Mindestanforderungen bei der Sanierung nicht erreicht seien - es hob den Förderbescheid teilweise auf. Daraufhin verlangte der Eigentümer Schadensersatz von der Energieberatungsfirma und klagte.
Das LG hat die Energieberatungsfirma zur Zahlung von Schadensersatz von über 6.000 EUR wegen einer Falschberatung verurteilt. Aufgrund der Falschberatung hatte der Eigentümer Fenster und Dachfenster mit zu hohen Wärmedurchgangskoeffizienten einbauen lassen, die nicht förderfähig waren. Dieser Schaden war ihm zu ersetzen, da die Firma ihre Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung verletzt hatte.
Hinweis: Ein folgerichtiges Urteil. Beratungsfirmen sind gerade dafür da, sachunkundige Menschen zu beraten. Für Falschinformationen und daraus entstehende Schäden haften sie.
Quelle: LG Berlin II, Urt. v. 18.02.2025 - 30 O 197/23
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Nicht immer müssen es ungewöhnliche Lärmereien wie der heftige Bass zur Tanzmusik oder begleitender Partylärm sein, die zur Kündigung des Mietverhältnisses führen können. Dass durchaus auch wohnübliche Aktivitäten stets eine Frage des richtigen Timings sind, beweist der Fall, den das Amtsgericht Hamburg (AG) in Sachen Lärmbelästigung im Mietshaus zu lösen hatte.
In der 116 m² großen Hamburger Altbauwohnung einer Wohnungsbaugenossenschaft wohnten eine 79-jährige betreute Bewohnerin und ihr Sohn. Über die beiden häuften sich die Beschwerden der Nachbarschaft: Immer wieder kam es während der Abend- und Nachtzeiten durch Baden, Duschen, Staubsaugen, Waschmaschinenwäsche, lautes Streiten, Möbelrücken, Türen- und Fensterschlagen zu Lärmbelästigungen der anderen Mieter. Nachdem diese Lärmprotokolle eingereicht hatten, reagierte die Wohnungsbaugenossenschaft mit Abmahnschreiben. Termine für klärende persönliche Gespräche wurden durch die alte Dame und ihren Sohn abgesagt. Schließlich sprach die Wohnungsgenossenschaft eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aus.
Und zwar zu Recht. Das AG bestätigte, dass auch typisches Wohnverhalten - wie Duschen, Baden, Staubsaugen, Möbelrücken und eine Unterhaltung - zu einer außerordentlichen Kündigung des Wohnraummietvertrags wegen Störung des Hausfriedens führen kann. Anhand der Lärmprotokolle ergab sich, dass diese Störungen nicht vereinzelt, sondern regelmäßig feststellbar waren und in den Nachtstunden von 22 Uhr bis 6 Uhr auftraten. Deshalb wurde der Räumungsklage stattgegeben.
Hinweis: Dieser Fall zeigt, dass im Fall von Lärmstörungen die Anfertigung von Protokollen unerlässlich ist. Es ist zwingend erforderlich, dass nachgewiesen werden kann, wann genau welche Störungen wie oft in der Vergangenheit aufgetreten sind. Nur so ist eine effektive Rechtsverfolgung möglich.
Quelle: AG Hamburg, Urt. v. 11.02.2025 - 21 C 344/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Zum Thema Verkehrsrecht
- Betrachtung des Schadensgeschehens: Anscheinsbeweis entscheidet nach berührungslosem Unfall
- Ersatz unfallbedingter Kosten: Mietwagen auch nach Unfall mit Fahrzeug ohne HU-Plakette
- Hinterbliebenengeld: Stark alkoholisierter Fußgänger trägt Hauptverantwortung beim Überqueren der Fahrbahn
- Mithaftung trotz Vollkasko: Wer im Mietfahrzeug die Durchfahrtshöhe ignoriert, handelt grob sorgfaltswidrig
- Widerrufsbelehrung ohne Telefonnummer: BGH nimmt Verbraucher bei Onlineverträgen stärker in die Eigenverantwortung
Im Straßenverkehr entscheiden Sekunden, wie glimpflich eine unerwartete Begegnung ausgeht. Deshalb haben Gerichte über Kausalitäten und Verantwortlichkeiten auch bei jenen Unfällen zu entscheiden, bei denen es gar nicht zu Berührungen der Unfallgegner bzw. von deren Fahrzeugen gekommen ist. Im Folgenden hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das letzte Wort.
Der Kläger fuhr mit seinem Motorrad hinter einem Pkw. Die Beklagte fuhr ihrerseits mit ihrem Pkw die Gegenrichtung entlang, als ihre Fahrbahn in einer leichten Rechtskurve durch ein Müllabfuhrfahrzeug blockiert wurde. Um an diesem Fahrzeug vorbeizufahren, wechselte die Beklagte auf die Gegenfahrbahn. Der ihr dort entgegenkommende Pkw bremste stark ab, um eine Kollision mit der Beklagten zu vermeiden. Auch der hinter diesem Pkw fahrende Biker machte eine Vollbremsung, wobei sein Motorrad ins Rutschen geriet, stürzte und sich der Mann dabei erhebliche Verletzungen zuzog. Zu einer Kollision des Motorrads mit dem vorausfahrenden Pkw kam es glücklicherweise nicht auch noch. Dennoch begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens nach einem Verkehrsunfall verpflichtet seien.
Der BGH hat entschieden, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber zu 40 % haftet, obwohl keine Kollision stattgefunden habe. Das Fahrverhalten der Beklagten hatte den Sturz des Klägers verursacht. Sie hatte ein Müllabfuhrfahrzeug umfahren, was eine Vollbremsung des Gegenverkehrs und den Sturz des Klägers zur Folge hatte. Der Wechsel auf die Gegenfahrbahn, um an dem haltenden Müllabfuhrfahrzeug vorbeizufahren, beeinflusste das Fahrmanöver des Klägers - zumindest mittelbar. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Schaden nämlich bereits dann bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben. Das sei dann gegeben, sobald bei der gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Dem Kläger war dennoch eine Mithaftung anzurechnen, weil er die Vorder- und Hinterradbremse derart betätigt hatte, dass beide Bremsen am Motorrad blockierten. Der Sturz wäre bei dem Motorrad des Klägers, das nicht über ein ABS verfüge, durch eine kontrollierte Betätigung der Vorderradbremse demnach vermeidbar gewesen.
Hinweis: Ein sogenannter berührungsloser Unfall ist dann bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, wenn also bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.
Quelle: BGH, Urt. v. 03.12.2024 - VI ZR 18/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
In der Regel müssen sich privat gefahrene Pkws und Motorräder alle 24 Monate einer Hauptuntersuchung (HU) unterziehen. Wer eine solche schwänzt und dann einen Unfall verursacht, der auf einen Mangel zurückzuführen ist, der bei der HU beanstandet worden wäre, kann in Regress genommen werden. Ob aber auch ein unverschuldeter Unfall einen Fahrzeughalter teuer zu stehen kommt, der seiner Pflicht zur HU nicht nachgekommen war, musste der Bundesgerichtshof (BGH) klären.
Ein Autofahrer erlitt einen unverschuldeten Unfall und machte daraufhin seine Ansprüche der gegnerischen Versicherung gegenüber geltend. Diese zahlte auch fast alles, verweigerte aber die Erstattung der Mietwagenkosten für die Dauer der Reparatur. Sie argumentierte, dass der verunfallte Wagen keine gültige HU-Plakette aufgewiesen habe. Daher habe der Fahrzeugführer das Fahrzeug nicht mehr fahren dürfen. Er hätte den Wagen sowieso in die Werkstatt geben müssen, um die HU durchführen zu lassen, so dass die Mietwagenkosten nicht wegen des Unfalls angefallen wären, sondern nur "bei Gelegenheit" des Unfalls. Das wollte der Geschädigte nicht hinnehmen und klagte.
Der BGH entschied, dass allein das Überschreiten des HU-Termins nicht dazu führt, dass das Fahrzeug nicht mehr gefahren werden darf - selbst bei einer erheblichen Überschreitung von mehr als einem halben Jahr. Denn: Solange keine behördliche Untersagung vorliegt, darf so ein Fahrzeug gefahren werden, wenn das Fahrzeug verkehrssicher und mängelfrei ist. Hier ist daher der Werkstattaufenthalt allein durch den Unfall motiviert gewesen. Die Vorinstanz hatte keine Feststellungen dazu getroffen, ob das Fahrzeug verkehrssicher war, daher wurde der Fall für eben jene Feststellungen dorthin zurückverwiesen.
Hinweis: Richtig ist zwar, dass mit der HU dafür gesorgt werden soll, dass Fahrzeuge während ihres Betriebs in einem sicheren und umweltfreundlichen Zustand gehalten werden. Doch auch wenn die zuständige Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ein Nutzungsverbot nicht bereits beim Überschreiten des Vorführtermins eines Pkw zur HU vorsieht: Gehen Sie auf Nummer sicher und mit Ihrem Fahrzeug fristgerecht zum TÜV oder zur Dekra.
Quelle: BGH, Urt. v. 03.12.2024 - VI ZR 117/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Verliert eine Mutter ein Kind, ist das an Tragik oft nicht zu überbieten. Dennoch müssen Gerichte wie im Folgenden das Oberlandesgericht Celle (OLG) auch bei Todesfällen Sachlichkeit wahren und den Anspruch an Hinterbliebenengeld und Bestattungskostenübernahme an den gegebenen Fakten messen.
Ein Mann wurde von einem Fahrzeug erfasst, als er im stark alkoholisierten Zustand mit 2 ‰ eine Landstraße überquerte. Dabei kollidierte er mit dem vom Beklagten geführten Fahrzeug und verstarb noch am Unfallort. Die Mutter des Verstorbenen verlangte als Klägerin nun unter anderem ein Hinterbliebenengeld von 12.000 EUR. Das zunächst mit der Sache befasste Landgericht (LG) sprach der Klägerin von ihren geltend gemachten Ansprüchen 3.333 EUR aufgrund des der Klägerin zuzurechnenden Mitverschuldens des Geschädigten zu, wobei es dabei ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 10.000 EUR angesetzt und der Klägerin somit 1/3 zugesprochen hatte. Dem Beklagten war dabei der Verschuldensvorwurf zu machen, dass er in Kenntnis eines am Fahrbahnrand befindlichen Fußwegs seine Geschwindigkeit nicht reduziert hatte. Der Bremsvorgang bei Fußgängern, die unvorhergesehen die Straße überqueren, sei daher zu lang gewesen. Dennoch habe der Geschädigte den Unfall größtenteils selbst verschuldet, weil er die Straße überquert hatte, ohne auf das bevorrechtigte Fahrzeug zu achten.
Das OLG hat die Entscheidung des LG bestätigt. Der Unfall war überwiegend durch den stark alkoholisierten Fußgänger verschuldet worden. Dieser hatte gegen die ihn treffenden Sorgfaltsanforderungen verstoßen, indem er sich nicht hinreichend davon überzeugt hatte, dass der Beklagte ihn trotz seines Vorrangs auf der Fahrbahn sicher passieren lassen wollte. Nach den Feststellungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen hätte der Fußgänger den Unfall durch einen Verzicht oder Abbruch seiner Fahrbahnüberquerung verhindern können. Für ihn war das sich nähernde Beklagtenfahrzeug sichtbar. Der Geschädigte hätte auf seiner Fahrbahnseite stehen bleiben und den Beklagten vorbeifahren lassen können - und müssen. Der Geschädigte hatte damit die entscheidende Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt. Dennoch trifft auch den Beklagten ein Mitverschulden, weil er seine Geschwindigkeit nicht reduzierte, obwohl er von dem Fußweg wusste.
Hinweis: Grundsätzlich gilt, dass das Überschreiten einer Fahrbahn von einem Fußgänger erhöhte Sorgfalt erfordert. Da eine Fahrbahn in erster Linie dem Fahrzeugverkehr dient, hat der Fahrzeugführer grundsätzlich Vorrang. Auf den bevorrechtigten Fahrzeugverkehr hat der Fußgänger Rücksicht zu nehmen, also bei Annäherung eines Fahrzeugs zu warten; der Kraftfahrer darf darauf vertrauen, dass ein Fußgänger die Fahrbahn nicht kurz vor seinem Fahrzeug zu überqueren versucht. Das Betreten der Fahrbahn ohne Beachtung des Fahrzeugverkehrs ist in der Regel grob fahrlässig.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 18.12.2024 - 14 U 119/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Wer ein Auto anmietet, tut gut daran, einen Vollkaskoschutz abzuschließen. Doch wer meint, damit sei jeder Schadensersatz abgewendet, der aus eigener Tasche zu begleichen sei, der irrt. So musste sich ein Beklagter vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG) der Prüfung unterziehen, wie hoch das Eigenverschulden daran war, dass das angemietete Fahrzeug beschädigt wurde.
Der Fall ist schnell erklärt: Der Beklagte fuhr in eine Tiefgarage ein, deren Durchfahrtshöhe für Fahrzeuge auf 2,10 m begrenzt war. Das entsprechend über der Einfahrt angebrachte Zeichen 265 zeigte diese Begrenzung deutlich auf. Doch es kam, wie es kommen musste: Der Mann ignorierte das Zeichen und beschädigte das Mietfahrzeug.
Nach Auffassung des OLG steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung des angemieteten Fahrzeugs zu. Der Beklagte hat zumindest fahrlässig die Beschädigung des Mietfahrzeugs verursacht, indem er mit dem von ihm angemieteten Fahrzeug in die Tiefgarage einfuhr. Weil diese für Fahrzeuge mit einer Fahrzeughöhe über 2,10 m nicht zugelassen war, habe er seine Pflicht verletzt, aus dem zugrundeliegenden Mietvertrag alles zu unterlassen, was zu Schäden an dem gemieteten Fahrzeug führen kann. Damit habe er sich schadensersatzpflichtig gemacht. Zwar haben die Parteien im Mietvertrag eine Haftungsbefreiung nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung vereinbart. Laut dieser hafte der Beklagte über den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt von 150 EUR hinaus lediglich dann, wenn er den Schadensfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Hier ging der Senat in der Tat davon aus, dass dies der Fall war. Der Beklagte handelte grob sorgfaltswidrig, weil er in die Tiefgarage einfuhr und dabei - wie er selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat - das über der Einfahrt angebrachte Zeichen 265 übersah, das auf eine maximale Durchfahrtshöhe von 2,10 m hinwies.
Hinweis: Das Vorliegen grober Fahrlässigkeit ist eine Frage des Einzelfalls. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv und subjektiv schweren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden sein. Zudem muss dabei unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt hierbei für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint ein solcher Vorwurf nur dann als gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv "schlechthin unentschuldbare" Pflichtverletzung vorliegt.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 12.12.2024 - 12 U 42/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Der folgende Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) erklärt die Zeiten, in denen das Internet als Neuland galt, für vergangen. Denn was er aktuell für Anforderungen an Widerrufsbelehrungen in Neuwagenkaufverträgen bei Fernabsatzgeschäften stellt - zu denen eben auch das Internet zählt -, nimmt Verbraucher schlichtweg mehr in die Eigenverantwortung.
Der Mann erwarb im Februar 2022 von der Beklagten, die mit Kraftfahrzeugen handelt, ein Neufahrzeug im Wege des Fernabsatzes. Die Beklagte, die auf ihrer Website unter Kontakt und im Impressum ihre Telefonnummer angegeben hatte, verwendete nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine in Teilen davon abweichende Version. Darin wurden die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der Beklagten mitgeteilt - deren Telefonnummer hingegen nicht. Ein Widerruf solle laut Hinweis mittels einer eindeutigen Erklärung durch einen per Post versandten Brief oder eine E-Mail erklärt werden. Am 23.08.2022 wurde dem Käufer das Fahrzeug übergeben. Am 20.06.2023 erklärte er per E-Mail jedoch den Widerruf seiner auf Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Erklärung und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Dabei ging er davon aus, dass sein Widerruf des Vertrags noch rechtzeitig sei - der Grund hierfür sei die fehlerhafte Information zum Widerruf.
Der BGH hielt die Klage - wie die Vorinstanzen im Übrigen auch - für unbegründet. Teilt ein Unternehmer in der Widerrufsbelehrung (als beispielhafte Kommunikationsmittel für den Widerruf) seine Postanschrift sowie seine E-Mail-Adresse mit, ist die zusätzliche Angabe der Telefonnummer des Unternehmers nicht erforderlich. Zudem sei diese hier ohne weiteres auf der Internetseite zugänglich gewesen. Bereits durch die Angabe ihrer E-Mail-Adresse, ergänzt durch die Mitteilung ihrer Postanschrift, habe die Beklagte den Verbrauchern Möglichkeiten eröffnet, schnell mit ihr in Kontakt zu treten und effizient mit ihr zu kommunizieren. Dabei waren den Verbrauchern andere Kommunikationswege auch nicht verstellt, da die vom Kläger in der Widerrufsbelehrung vermisste Telefonnummer sowohl im Impressum als auch unter der Kontaktoption problemlos zu finden war.
Hinweis: Der BGH hatte zu entscheiden, ob eine Widerrufsfrist von 14 Tagen ab Erhalt der Ware gilt (§ 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) oder ob das Widerrufsrecht erst mit zwölf Monaten und 14 Tagen nach dem Beginn der gesetzlichen Widerrufsfrist erloschen ist (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB). Der BGH hat die Anforderungen an Widerrufsbelehrungen in Neuwagenkaufverträgen mit Verbrauchern bei Fernabsatzgeschäften nunmehr näher bestimmt. Demnach ist es für eine schnelle und effiziente Kontaktaufnahme mit dem Verkäufer nicht erforderlich, dass auf der Internetseite in der Widerrufsbelehrung - über die Post- und E-Mail-Adresse hinaus - auch eine Telefonnummer des Unternehmers angegeben wird.
Quelle: BGH, Beschl. v. 25.02.2025 - VIII ZR 143/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Zum Thema Sonstiges
- Aggressiv statt "dominant": Rückabwicklung eines Vertrags über den Kauf eines schwierigen Pferds
- Bank winkt ab: Kein Schadensersatz bei telefonischer Freigabe einer TAN
- Falsche Kontoverbindung: Elektronischer Rechnungsverkehr ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist Risiko des Versenders
- Gepäck weg: Welche Anschaffungen auf einer Kreuzfahrt in den Polarkreis ersatzfähig sind
- Verspäteter Koffer kaputt: Frist für verdeckte Schäden nicht bei deutlich beschädigtem Kofferschloss ausschöpfbar
Was gesagt wurde und was gemeint ist, ist im zwischenmenschlichen Miteinander oft ein Buch mit sieben Siegeln. So ging es vor dem Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) auch um die Frage, wie weit sich die Bedeutung interpretieren lässt, ein angebotenes und schließlich verkauftes Pferd sei "etwas dominant", während ein ehemaliger Vorbesitzer "schwierig im Umgang" für die trefflichere Beschreibung hielt. Interpretationssache oder arglistige Täuschung?
Eine Frau hatte für etwas über 5.000 EUR die betreffende Stute gekauft. In dem Vertrag stand, dass das Pferd "etwas dominant" sei. Die Verkäuferin selbst hatte das Pferd erst einen Monat zuvor von dem Voreigentümer zu einem deutlich geringeren Preis gekauft - mit dem Hinweis, es sei "schwierig im Umgang". Nun musste die neue Besitzerin leider feststellen, dass das vermeintlich "etwas dominante" Pferd recht aggressive Verhaltensweisen zeigte. Es ließ sich nicht reiten, legte die Ohren an, lief mit gesenktem Kopf auf die Mitarbeiter zu und keilte aus. Daraufhin wurde der Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Schließlich klagte die Käuferin die Rückabwicklung des Vertrags ein.
Das OLG entschied nach Durchführung einer Beweisaufnahme, dass der Käuferin ein Anfechtungsrecht zustand. Die Verkäuferin hat ihr daher den Kaufpreis Zug um Zug gegen die Herausgabe des Pferds zu ersetzen. Daneben kann die Käuferin auch teilweise die Zahlung der Kosten für Unterstellung, Fütterung und notwendige Tierarztkosten für das Pferd verlangen. Denn die Verkäuferin hat Kenntnis vom aggressiven Verhalten des Pferdes gehabt. Daher hatte sie eine Aufklärungspflicht gegenüber der unwissenden Käuferin. Das aggressive Gebaren des Pferds ging eindeutig über ein als "etwas dominant" beschriebenes Verhalten hinaus.
Hinweis: Wer etwas verkauft, sollte Mängel nicht verschweigen. Das ist nicht nur unfair, sondern kann auch harte rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Quelle: OLG Braunschweig, Urt. v. 30.01.2025 - 8 U 215/22
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Onlinebanking gilt als sicher, solange sich die Kunden an die ordnungsgemäße Nutzung halten. Im Folgenden war eine eigentlich sichere Zwei-Faktor-Authentisierung, bei der ein online ausgelöster Auftrag auf einem anderen onlinefähigen Gerät bestätigt werden muss, durch einen dritten Faktor gestört: einen angeblichen Mitarbeiter am Telefon. Das Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) musste entscheiden, ob der folglich entstandene Schaden erstattungsfähig war oder nicht.
Eine Frau hatte bei ihrer Bank ein Girokontomodell mit Online-Banking und dem sogenannten push-TAN-Verfahren gewählt. Bei diesem Verfahren wird die jeweilige Freigabe eines an einem onlinefähigen Gerät ausgelösten Bankingauftrags auf einem weiteren Gerät - Smartphone oder Tablet - per spezieller App erteilt. Dann jedoch erhielt die Bankkundin einen Anruf eines angeblichen Bankmitarbeiters, der von einem Versuch einer unberechtigten Kreditkartenanmeldung berichtete. Er forderte die Frau auf, das push-TAN-Verfahren durchzuführen, um die Kreditkartenanmeldung zu ihrem Konto zu löschen. Auf seine Anweisung hin wiederholte sie diesen Vorgang viermal. Er gab ihr anschließend die Auskunft, dass ihr Konto zur Sicherheit gesperrt werde, sie aber mit der EC-Karte weiterhin zahlen könne. Von dem Konto der Frau wurden schließlich mittels einer neu registrierten Kreditkarte insgesamt knapp 8.000 EUR abgebucht. Als die Bank die Regulierung des Schadens ablehnte, klagte die Frau - allerdings vergeblich.
Die Frau hatte nach Auffassung des OLG pflichtwidrig einen durch Dritte veranlassten Buchungsvorgang im Wege des push-TAN-Verfahrens freigegeben. Aus den Sicherheitshinweisen der Bank ergab sich jedoch eindeutig, dass Bankmitarbeiter am Telefon niemals dazu auffordern, eine TAN zu nennen oder einen Auftrag mit der push-TAN-App freizugeben. Die Frau hätte durch den Telefonanruf misstrauisch werden müssen.
Hinweis: Wer telefonisch eine geheime Nummer freigibt, muss sich nicht wundern, dass die Bank keinen Schadensersatz leisten muss. Sparkassen, Banken, Versicherungen und alle anderen Unternehmen rufen niemals an und verlangen die Preisgabe oder Verwendung von geheimen Informationen.
Quelle: OLG Braunschweig, Urt. v. 06.01.2025 - 4 U 439/23
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Unternehmen sollten sich in Sachen Eigensicherung den folgenden interessanten und äußerst praxisrelevanten Fall des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) gut merken. Denn er betrifft den Rechnungsversand per E-Mail - also den Weg, den wohl die meisten Firmen in Deutschland mittlerweile wählen, um an ihr Geld zu kommen.
Ein Unternehmen führte Installationsarbeiten im Haus einer Kundin durch. Zwei der insgesamt drei Rechnungen wurden durch sie auch problemlos bezahlt. Dann folgte eine dritte Rechnung über 15.000 EUR, die genau wie die vorherigen Rechnungen per E-Mail im PDF-Format übermittelt wurde. Auch diesen Betrag beglich die Kundin zwar, doch kam das Geld beim Installationsunternehmen nie an. Denn die Rechnung war auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert und damit der berechnete Betrag auf das Konto dieses unbekannten Dritten überwiesen worden. Nun wollte das Unternehmen seine Rechnung (trotzdem) bezahlt bekommen - irgendwie verständlich. Und die Kundin - ebenso verständlich - weigerte sich, so dass das Ganze vor dem OLG landete.
Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss der Kunde laut Urteil des OLG nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen. Das gilt jedenfalls dann, wenn dieser die Rechnung ohne sogenannte "Ende-zu-Ende-Verschlüsselung" versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung besteht.
Hinweis: Das Urteil hat Sprengkraft, denn letztendlich wird nahezu jedes Unternehmen mit dem vorbezeichneten Risiko bedroht sein. Der Versand von Rechnungen per E-Mail ohne weitere Verschlüsselung birgt ab sofort enorme Risiken.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 18.12.2024 - 12 U 9/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Einen interessanten Fall des Reiserechts musste das Landgericht München II (LG) entschieden. Hierbei ging es um auf dem Hinflug verirrtes Reisegepäck, das nicht etwa nachreisen konnte, sondern durch seine Verspätung von der Reise ausgeschlossen wurde. Und weil es hier nicht nur auf hohe See, sondern in die Polarregion ging, war klar, dass es sich beim Streit nicht um den Ersatz von leichter Strandkleidung handeln dürfte.
Auf dem Hinflug zu einer elftägigen Pauschalreise nach Longyearbyen in Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt "Auf den Spuren der Eisbären" für zwei Personen ging das Gepäck verloren. Deshalb kauften die beiden vor der Abfahrt des Schiffs in Outdoorläden in Longyearbyen das Notwendigste nach. An Bord des Schiffs gab es zudem eine Boutique und einen Wäscheservice, Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden wiederum gestellt. Insgesamt zahlten die beiden Reisenden ca. 2.300 EUR. Die Reiseveranstalterin erstattete außergerichtlich 25 % vom gezahlten Reisepreis und 1.500 EUR für die Ersatzbeschaffungen. Das reichte den Reisenden nicht und sie klagten den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 % vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen "Schadensersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden" ein.
Das LG entschied, dass der gezahlte Reisepreis um 30 % gemindert werden kann, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden bei dem Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. Bei den Ersatzbeschaffungen der Bekleidung dürfte kein Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen werden. Zwar können die Sachen nach der Rückkehr noch benutzt werden, die Reisenden hatten jedoch überzeugend dargelegt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigen. Anders verhielt sich dies bei den Verbrauchsartikeln wie Waschmittel oder Zahnpasta, denn die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel weiter nutzen. Ein Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit bestand ebenfalls nicht. Bei einer Expeditionsreise kommt es im Wesentlichen auf die landschaftlichen Aspekte der Polarregion sowie der Tierwelt an. Die Annehmlichkeiten an Bord eines Expeditionsschiffs bilden nicht den Kernbereich einer Expeditionsreise.
Hinweis: Wie bei jedem Mangel im Reiserecht ist es wichtig, dass Betroffene den Mangel rechtssicher feststellen lassen und auch sofort bei der Reiseleitung rügen.
Quelle: LG München II, Urt. v. 10.01.2025 - 14 O 2061/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Mit dem Personal, das für das Gepäck an den Flughäfen verantwortlich zeichnet, möchte man sicher nicht tauschen. Doch alles Verständnis für die körperlich schwere Arbeit ist meist verflogen, wenn der eigene Koffer verschwunden bleibt. Wer Glück hat, bekommt sein Gepäck zwar verspätet, aber dennoch wohlbehalten zurück. Im Fall des Landgerichts Saarbrücken (LG) ging die Sache mit dem Koffer jedoch anders aus.
Ein Mann war mit seiner Familie in den Sommerurlaub geflogen. Bei der Rückkehr in Deutschland meldete er das Fehlen seines Koffers am Schalter der Fluggesellschaft. Am 31. August wurde der Koffer dem Mann nach Hause gebracht. Am 7. September reklamierte die Ehefrau des Manns auf der Internetseite der Fluggesellschaft die Schäden an dem Koffer sowie fehlenden Inhalt. Das Schloss sei abgebrochen gewesen, und es würden unter anderem ein Föhn im Wert von knapp 500 EUR sowie zwei Ringe im Wert von 119 EUR und 129 EUR fehlen. Insgesamt wären Gegenstände im Wert von knapp 1.400 EUR verschwunden. Als die Fluggesellschaft sich weigerte, zu zahlen, klagte der Mann sein Geld ein.
Die Klage wurde vom LG jedoch abgewiesen. Zwar hatte der Mann grundsätzlich einen Anspruch aus Art. 17 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens (MÜ). Allerdings war der Anspruch nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 MÜ befristet. Im Fall einer Beschädigung muss der Empfänger unverzüglich nach Entdeckung des Schadens eine Anzeige erstatten, bei aufgegebenem Reisegepäck jedenfalls binnen sieben Tagen nach der Annahme. Bei dieser Frist handelt es sich jedoch um eine Höchstfrist, die auch - zunächst - verdeckte Schäden erfasst. Diese Frist kann dabei nicht immer voll ausgeschöpft werden. Bei einem erkennbar äußerlich beschädigten Koffer muss der Inhalt grundsätzlich direkt kontrolliert werden. Und das war hier nicht passiert.
Hinweis: Die Schadensfeststellung muss innerhalb der Mindestfrist erfolgen, die notwendig ist, um den Schadensfall zu prüfen und eine inhaltlich und formell ausreichende Schadensanzeige zu übermitteln. So wird auch in diesem Fall deutlich, dass eine ordnungsgemäße Anzeige des Mangels im Reiserecht zur Durchsetzung von Ansprüchen enorm wichtig ist.
Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 12.12.2024 - 13 S 70/24
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 05/2025)